
"THE
GLORY SKIFFLE TRAMPS" aus Hamburg 1963.
v.l.: Hans-Peter Meyer,
Dieter Rittig, Gunther Andernach, Joachim
Stern, Peter Böttcher und Jürgen Hintsche (er hat
uns dieses tolle Bild zur Verfügung gestellt).
Skiffle - von den Anfängen bis zur
Gegenwart
Die Skiffle Musik - meistens auf einfachen
oder selbstgebauten Instrumenten gespielt -
schwappte in den 50ger Jahren wie eine Woge über
ganz Großbritannien hinweg, erreichte die
europäischen Nachbarn und gelangte zurück in ihr
Ursprungsland, die USA. Skiffle wurde zu einer
britischen Volksbewegung, die besonders die Jüngeren
ansprach.
Die Spasm Bands sind die eigentlichen
Vorläufer der Skiffle Gruppen. Gegen Ende des
letzten Jahrhunderts ,als man in New Orleans begann
Ragtime und Jazz zu spielen, folgten den Jazz-Bands
beim Mardi Gras Gruppen von Jugendlichen, die auf
selbstgebauten Instrumenten die Musik ihrer
Vorbilder nachahmten. Eine dieser Bands war die
"Razzy Dazzy Spasm Band", die in Doc Malneys
Minstrel Show auftrat. Das Besondere an dieser Band
war, dass es sich um weisse Musiker handelte.
Nachfolger der Spasm Bands waren die Jug
Bands. In den 20ger Jahren hauptsächlich in Memphis
und Louisville zu Hause, spielten auch sie auf
einfachen und zum Teil selbstgebauten Instrumenten,
vor allem aber auf der Jug, einem Krug oder einer
dickbauchigen Flasche, die vorher meist mit Whiskey
gefüllt waren. In dieser Zeit gab es im Süden der
USA Hunderte von Musikern, die sich immer wieder in
neuen Bands zusammenschlossen, da nur die wenigsten
Musiker Profis waren, wie die Memphis Jug Band und
die Louisville Jug Stompers. Gespielt wurde
hauptsächlich Country Blues, man machte aber auch
vor Walzern, Jodlern oder Tagesschlagern nicht halt,
je nachdem, was Veranstalter oder Publikum sich
wünschten. Eine Besonderheit waren auch die Rent
Parties. Wenn jemand seine Miete nicht bezahlen
konnte, veranstaltete man eine Party bei der die
Gäste Geld sammelten, um die Miete aufzubringen.
Dabei wurde in der Regel viel getrunken und eine
Band zusammengestellt, bei der jeder der Lust und
Laune hatte mitsang, irgend ein Instrument
mitbrachte oder einfach etwas improvisierte. Wie
populär diese Musik damals war, zeigt die Tatsache,
dass allein von der Memphis Jug Band über 100
Schallplattenaufnahmen gemacht wurden. Nachdem die
Prohibition in den USA abgeschafft wurde und das
Interesse für die Jug Bands nachliess, wurde es
still um diese Art von Musik. Das sollte sich später
aber wieder ändern.
Nach dem Krieg wurden in England einige
Jazzbands gegründet, die regelmäßig in Jazz-Clubs
auftraten, jedoch nicht so bekannt und populär wie
die späteren "Trad-Bands" von Ken Colyer, Mr. Acker
Bilk, Chris Barber, Kenny Ball u.a. Ken Colyer war
einer der ersten, der in seiner Band - um das
Programm etwas aufzulockern - die Skiffle Group
auftreten ließ. Die Rhythmusgruppe der Band blieb
und Ken tauschte die Trompete mit der Gitarre und
Ken's Bruder Bill bediente das Waschbrett. Purist
Ken spielte mit der Skiffle Gruppe (den Namen hatte
Bill eingeführt) hauptsächlich Country- und
Folkblues Stücke. Nachdem Chris Barber die Colyer
Band übernommen hatte behielt auch er die
Einrichtung der Skiffle Gruppe bei. Für eine LP nahm
Chris Barber auch zwei Skiffle Titel mit auf. Es
sollte allerdings noch zwei Jahre dauern, bis diese
Stücke - inzwischen als Single erschienen - für
Furore sorgten. "Rock Island Line" wurde wieder und
wieder im Radio gesendet, kam in England und den USA
in die Hitparade und wurde sogar vergoldet. Lonnie
Donegan , Gitarrist, Banjospieler und Sänger bei
Chris Barber verließ die Band und startete eine
überaus erfolgreiche Solokarriere, die ihn damals zu
einem der größten Pop-Stars seiner Zeit werden ließ.
Donegan war unumstritten der "King of
Skiffle", doch neben ihm gab es eine Reihe von
anderen Skifflegruppen, die auch erfolgreich
waren.The Vipers, Bob Cort, Chas McDevitt, Alexis
Korner und die City Ramblers sind nur einige von
ihnen. Diese Gruppen waren die eigentlichen
Vorbilder für die unzähligen Gruppen, die in der
Folgezeit überall in Großbritannien entstanden. So
gab es 1957 allein in London schätzungsweise 600 (!)
Bands. Spirituals, Folk- und Worksongs, sowie die
Plattenaufnahmen von Leadbelly, Pete Seeger, Woody
Guthrie und Burl Ives bestimmten das Repertoire fast
aller Gruppen. Die City Ramblers machten viele
Auftritte in verschiedenen Ländern des Kontinents,
traten mehrfach im Fernsehen auf und taten so viel
für das Bekanntwerden der Skifflemusik in
Skandinavien und Mitteleuropa. Übrigens waren sie
die erste westliche Band, die im russischen TV
präsentiert wurde.
Radio Luxemburg und die Soldatensender AFN
und BFN sorgten auch noch dafür, dass die
Skifflemusik auch in Deutschland populär wurde. So
schreibt die BILD Zeitung Ende der 50ger Jahre: Geh
nach Hause, Elvis Presley! Du hast ausgerockt! Packt
eure Trommeln aus Benzinfässern in euer Banana-Boot,
ihr braunen Calypso-Jungs, und schippert wieder nach
Jamaika! Ein neues Schlagerfieber hat seine heiße
Hand auf die Jugend gelegt: Skiffle!
Auch in Deutschland wurden überall
Skifflegruppen gegründet. Schwerpunkte gab es in
Berlin, Norddeutschland, dem Ruhrgebiet und anderen
Großstätten in ganz Deutschland (Köln, Frankfurt,
München und, und...). Eine Begleiterscheinung des
Skiffle-Booms waren die Festivals und
Meisterschaften, die überall stattfanden. Da wurde
um Goldene Waschretter, Silberne Banjos, Siegprämien
von 30-100DM gekämpft, bis die Finger bluteten oder
die Saiten rissen! Die Glory Skiffle Tramps z.B.
waren mehrmals hintereinander Hamburgs beste Band
und die Skiffle Lords gewannen in Berlin das Goldene
Waschbrett. Bald darauf liessen die Lords den Namen
Skiffle in der Bandbezeichnung weg, tauschten die
akustischen Instrumente gegen elektrische aus und
spielten - wie ihre englischen Vorbilder - Beat
statt Skiffle.
Anfang der 70ger, als die Hamburger Szene
entstand, erlebte auch Skiffle eine Wiedergeburt.
"Livemusik" in Kneipen und Clubs war angesagt. Eine
ideale Vorraussetzung, die alte Gruppe wieder
zusammenzurufen oder eine neue zu gründen. In den
nächsten zehn Jahren wurden in Deutschland circa 80
- 100 LPs von Skifflegruppen aufgenommen. Eine
beachtliche Zahl! Neu war dabei auch, dass die
Gruppen vom üblichen Skiffle-Repertoire zum Teil
abrückten und sogar eigene Songs schrieben. Junge
deutsche Gruppen lernten nun den Skiffle nicht mehr
von den englischen Vorbildern, sondern von den
etablierten heimischen Bands wie: Bourbon Skiffle
Company, Caddy Ltd., Island Skiffle Tramps und
Leinemann. Einige Bands können das Skiffeln nicht
lassen und sind auch heute noch begeisterte Skiffler
für die der Spaß bei der Musik besonders wichtig ist
und für die gilt: Music self-played is happiness
self-made!
Holger Lührig